top of page

Internationales Kolloquium von Peking

The fate of reason: contemporary understanding of Enlightenment

9 -11. Oktober 2008


 

Neue Wege einer „erweiterten Denkungsart“.

Aufklärung nach der Kritik der Aufklärung

Prof. Dr. Monique Castillo

Um eine Kritik der Vernunft, die zu der Aufklärung gehört, von eine Kritik der Vernunft, die sich gegen die Aufklärung wendet, zu unterscheiden, muss man drei verschiedenen Bedeutungen vom Wort „Aufklärung“ berücksichtigen:

– eine engere philosophische Bedeutung, welche die Aufklärung als Zerstörung der Vorurteile und der Traditionen begreift.

– eine weitere philosophische Bedeutung, für die die Kritik der Vernunft die Vitalität der Vernunft ausmacht.

– eine historisch-kulturelle Bedeutung, welche die Aufklärung mit dem Schicksal der europäischen, dann westlichen, Kultur identifiziert.

Unser Vortrag wird zwei Paradigmen der Kritik der Aufklärung entgegensetzen, um zur Frage der zeitgenössischen Verständlichkeit der Aufklärung zu führen. Das erste Paradigma ist kantisch, da der Kantismus selbst eine Kritik der Aufklärung herzeugt hat, deren Wirkung darin bestanden hat, die echte Bestimmung der Vernunft erkennen zu lassen, die praktisch ist. Das zweite Paradigma, das sich selbst antimodern erklärt und in Europa infolge des zweiten Weltkrieges geboren wurde, den Totalitarismus mit dem Scheitern der westlichen Aufklärung verbindet. Daraus entsteht die folgende Frage: kann eine dermaßen radikale Kritik zu einer Regeneration der Aufklärung führen, oder führt sie nur zu ihrem Ruin? Wir werden, um darauf zu antworten, drei zeitgenössische Lektüren des Schicksals der Aufklärung erwähnen, das der Aufklärung nach der Kritik der Aufklärung geschah:

– die Selbstkritik als allerletztes Schicksal der europäischen Aufklärung

– der kommunikative Wiederaufbau der praktischen Vernunft 

– die neue ethische Entfaltung der Vernunft als „erweiterte Denkungsart“.

 

I. Zwei Paradigmen der Kritik der Aufklärung

A. Das kantische Paradigma:

Die Kritik der Urteilsfraft (§ 40) stellt sich die Aufklärung dar, die mit der Befreiung vom Aberglauben identifiziert wurde, als ein bloβes negatives Moment in der Denkungsart1. Kant bezeichnet damit eine einfach skeptische Praxis der rein vernichtenden Kritik der Vorurteile, da die skeptische Kritik ist, was zerstört, ohne wieder aufzubauen. Allein, während die skeptische, oberflächliche Aufklärung sich nur einen externen Feind wie Religion, Tradition oder soziale Macht angreift, bringt Kant seinerseits das Bedürfnis der Kritik auf sein echtes Tiefenniveau : indem er die Aufklärung, „der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“2 definiert, macht er mit der Selbstkritik (handelt es sich um ein Individuum oder ein Volk) das Prinzip einer Revolution der Denkungsart, die fähig ist, gegen den inneren Feind zu kämpfen, d.h. die Bereitwilligkeit und das spontane Einverständnis von jedem für seine eigene Sklaverei. Keine Freiheit ohne Verantwortung, welche für jeden mit dem Mut beginnt, in sich selbst die Neigung zu beschuldigen, seine eigene Vernunft im Dienst der Macht von anderen zu stellen.

Sicherlich hat die konservative Kritik ebenfalls den Negativismus der Aufklärung in Frage gestellt, aber allein mit dem Ziel, die dogmatischen Praktiken des Glaubens und der Tradition aufrechtzuerhalten: in diesem Fall, den Negativismus der Vernunft zu leugnen heiβt die Macht der Emanzipation und der Beleuchtung der Aufklärung zu leugnen. Das kantische Vorgehen ist offensichtlich ganz anders, denn, während Kant die auflösende Macht des Verstands kritisiert, bringt er die Vernunft zu ihrer echten Bestimmung zurück, die praktisch ist. Kant hat vollkommen wahrgenommen das Risiko einer Abweichung der Aufklärung in einen zügellosen Scientismus, der jeden ethischen Rücksicht auf Leben und Natur zerstört : da der Verstand darauf abzielt, seine Macht durchzusetzen, ist es also notwendig, dass die kritische Philosophie eine Kritik der negativen Aufklärung ausführt, damit die Vernunft den Ehrgeiz einer Gesamtmacht des Verstands beschränkt: das Wissen muss begrenzt werden und die Priorität des praktischen vernünftigen Interesses anerkannt werden. Solch ist das kantische Paradigma : jede Selbstkritik der Vernunft hat notwendigerweise eine deontologische Quelle und kann nur darauf abzielen, den Glauben an Vernunft wiederaufzubauen; jede Niederreiβung setzt einen Wiederaufbau voraus, jeder Verdacht setzt einen Glauben voraus. Deswegen muss die Modernität als eine Suche und nicht als ein Besitz definiert werden: „ Wenn denn nun gefragt wird: Leben wir jetzt in einem aufgeklärten Zeitalter? so ist die Antwort: Nein, aber wohl in einem Zeitalter der Aufklärung“3.

B. Das antimoderne Paradigma

Eine ganz andere kritische Tonalität lässt sich im XX. Jahrhundert nach den Katastrophen hören, die durch die zwei Weltkriege verursacht wurden. Die westliche Modernität wird als utilitaristisch, individualistisch, technisch, westzentrisch, verheerend, angeprangert. Die Aufklärung wird selbst angeklagt, in Keim die totalitären Abweichungen des 20. Jahrhunderts getragen zu haben. „Die Vernunft ist totalitär“ dachte Adorno: sie verhält sich hinsichtlich der Sachen als ein Diktator hinsichtlich der Menschen: er kennt sie, so weit er sie manipulieren kann4. Dieser Text hat im Jahre 1947 erschienen. Er wird lange Zeit einen schrecklichen Verdacht auf der Vernunft ruhen lassen : mit dem aus der Aufklärung entstandenen Rationalitätsideal wurde die totalitäre Rationalisierung des Massenmords verbindet. 

Die neue Kritische Theorie erklärt durch eine dialektische Umkehrung der Vernunft das, was sie als das verhängnisvolle Schicksal der Modernität der Aufklärung anschaut : die Rationalisierung der Mittel hätte die Vernünftigkeit der Zwecke übertroffen. In kantischen Worten: es ist nicht die Vernunft, sondern der Verstand, der es überwogen hat. In adornischen Worten : das Freiheitsprojekt hat sich in Beherrschungsprojekt verwandelt; man beginnt, sich von der Natur zu befreien, indem man die Natur beherrscht, dann aber die ganze Gesellschaft wird wiederum zu einem Manipulationsinstrument der Menschen. Dementsprechend ist der Sieg des Humanismus nicht humanistisch, sondern nur bürgerlich: er stellt die Staatsmacht im Dienst eines Vorgangs einer unbeschränkten Warenschaffung.

Ohne den besonderen Inhalt dieser radikalen Kritik zu beurteilen, kann man nicht die Kohärenz desselben auf formeller Ebene schätzen? Es ist klar, dass man das Paradigma wechselt: man geht von einer philosophischen Kritik zu einer soziologischen Kritik der Aufklärung über, und so geht man von der Selbstkritik der Vernunft zur Selbstkritik der Gesellschaft über, die die Vernunft fördert. Trotzdem bleibt die philosophische Frage: ist es möglich, dass eine Selbstkritik der Vernunft sich in eine Selbstzerstörung der Vernunft verwandelt? Führt eine radikale Kritik der instrumentalen Vernunft eine Gesamtzerstörung der Aufklärung oder eine andere Praxis der Aufklärung herbei? Mit anderen Worten: was kann Aufklärung nach einer solchen Entwertung der Aufklärung werden?

II. Drei verschiedene Figuren der Kritik der Vernunft

 

A. Die Selbstkritik als allerletztes Schicksal der europäischen Aufklärung.

Die erste folgt dem Urteil der kritischen Theorie als negativer Dialektik: diese muss „Selbstreflexion der Dialektik“ sein, das heißt „ eine Negation der Negation, welche nicht in Position übergeht… Es liegt in der Bestimmung negativer Dialektik, dass sie sich nicht bei sich beruhigt“5. Mit anderen Worten: eine permanente Selbstkritik muss als das allerletzte Schicksal der europäischen Aufklärung geübt werden. Dies ist der Weg, dem in Frankreich Denker wie Derrida oder Lyotard zum Beispiel eingeschlagen haben. In ihren Augen illustriert die Geschichte der Vernunft von der Aufklärung aus bis zum Marxismus dieselbe Hoffnung auf Totalisierung, und das rationalistische Ideal der Aufklärung wäre schließlich in der Erfahrung des Totalitarismus gescheitert6. Lyotard setzt die adornische Kritik der identitären Rationalität fort, und erwartet von der Postmodernität einen therapeutischen Skeptizismus, der eine Selbstzensur des Schriftstellers erfordert. Dieser muss auf den intellektuellen Lustprinzip verzichten (welcher der Traum oder das Imaginäre von der Ganzheit, d.h. der Versöhnung des Menschen und der Welt ist), um einen neuen philosophischen Realitätsprinzip anzunehmen: die Unversöhnung als kritischer Stand zu akzeptieren und nur von einer erhabenen, aber unvorstellbaren Freiheit, von einer nicht darstellbaren Einheit zu sagen.

Man könnte „paradoxe Aufklärung “ diese Übung der Vernunft nennen, die darauf abzielt, aus Furcht vor einer totalitären Wirkung die Verwirklichung der Vernunft zu verhindern. Es ist die Praxis einer „permanenten Dekonstruktion“, die darauf abzielt, die Vernunft aufzuklären, über was sie von sich selbst verkennt, und ihr erkennen zu lassen, dass, sie mit unbewusst der Technik (heideggerianische Fassung) und dem Kapitalismus (marxistische Fassung) unterworfen wird. Die zweite Hälfte des XX. europäischen Jahrhunderts ist durch diese dekonstruktive Praxis der Kritik geprägt worden, die der negativen und skeptischen Aufklärung ähnelt. Heute findet man davon eine Fortsetzung in der Art, wie die Europäer einen selbstkritischen Pluralismus ausüben. Bei Denkern wie Ulrich Beck oder Axel Honneth zum Beispiel ist der Pluralismus eine Art, der negativen Dialektik eine Fortsetzung zu geben. Der europäische Pluralismus ist selbstkritisch, wenn er sich zu akzeptieren entscheidet, dass die Kritik der Aufklärung, als Kritik des europäischen Humanismus und Universalismus heute zur Forderung des Rechts auf die kulturellen Differenzen jener gehört, die nicht westlich geboren wurden. Ein solcher Pluralismus soll als eine europäische Selbstkritik Europas gelten und sich als die vorbeugende Ablehnung jeder hegemonialen Versuchung öffentlich erweisen.

B. Eine andere Dialektik aber kommt ebenfalls in Spiel: jene, welche die Maßnahme der Katastrophe ergreift, die eine Selbstvernichtung der Vernunft (eine „Euthanasie der Vernunft“, in kantischen Worten), in einer gefährlichen wieder gewordenen Welt sein kann. „Es wäre eben so viel, als ob jemand durch die Vernunft beweisen wollte, dass es keine Vernunft gebe“ schreibt Kant. Habermas gibt diesem kantischen Argument einen Sinn wieder, wenn er denkt, dass die totale Selbstkritik der Vernunft verwickelt sich in einem performativen Widerspruch: sie kann die Vernunft überzeugen, zum Thema ihres autoritären Charakters zentriert, nur indem sie Rückgriff auf dieselben Mittel dieser Vernunft hat7.  Wie kann man zwar die Frage beantworten: welches höchste Interesse die Kritik der Vernunft leitet?

Denn eins von beiden:

– oder ist dieses Interesse theoretisch, und die Kritik der Vernunft ist dann eine externe Kritik, welche die Vernunft nach den Kenntnissen beurteilt, die von den Geisteswissenschaften geleistet wurden, aber dies schlieβlich den Sieg des Positivismus gewährleistet, und die Macht desselben zu beherrschen ausdehnt.

– oder wird die Suche nach Selbsterkenntnis von Vernunft durch ein praktisches Interesse geleitet, welches nur ein Interesse zur Emanzipation sein kann.

Ein Interesse zur Emanzipation, dessen Sinn und Einsätze heute geändert werden: es handelt sich nicht mehr so sehr darum, die Individuen durch die Verbreitung des Wissens vom Aberglaube zu befreien, wie es im 18. Jahrhundert war; es handelt sich bevorzugt und dringend darum, das praktische Bedürfnis der Vernunft von seiner reinen und einfachen Reduzierung auf eine Ideologie zu befreien, welche die theoristische und historistische Kritik der Aufklärung im 20. Jahrhundert als selbstverständlich zuletzt aufgedrängt hatte.. Was man auch über den bloβ verfahrensartigen Charakter der Diskursethik und ihre Grenzen auf ethischer Ebene denkt, dank ihr aber wird der praktischen Vernunft eine Erbschaft gegeben, die den Herausforderungen entsprechend ist, die durch die Globalisierung gebracht wurden: kommunikative Intersubjektivität ist gerade bei Apel und Habermas als ein rationaler wesentlich praktischer Bedarf für die Einrichtung eines weltweiten öffentlichen Raums nach Normen definiert worden, die angenommen und geteilt werden können; ein solches Bedürfnis überschreitet sicherlich das Gebiet der instrumentalen Rationalität, die es gar nicht erzeugen kann. Also, die neue kommunikative Grundlegung der praktischen Vernunft wieder belebt die universalistische und nicht kulturalistische Art, wodurch Kant selbst die Nachfolge der Aufklärung verstand: „Allein und mit welcher Richtigkeit Würden wir wohl denken, wenn wir nicht gleichsam in Gemeinschaft mit andern, denen wir unsere und die uns ihrer Gedanken mittheilen, dächten“8, eine Meinung, die in der dritten Kritik mit dem Ausdruck „erweiterte Denkungsart“9 wieder aufgenommen wurde : “An der Stelle jedes andern denken“.

 

C. Heute ändert sich wieder unser Verhältnis zu der Aufklärung, und ein anderer Weg öffnet sich für die Übung der erweiterten Denkungsart. Ein neues Bild der westlichen Modernität zeichnet sich zwar ab: nicht mehr das Bild einer kolonisierenden und imperialistischen Zivilisation, sondern das Bild einer intellektuell relativierten Kultur unter anderen (Huntington), die sowohl äußerlich (durch den Terrorismus) als auch innerlich (durch die nihilistische Fassung seines eigenen Relativismus) ontologisch bedroht wird. So dass eine neue Art, Freiheit und Wissenschaft zu verbinden, ist notwendig geworden, um die Zukunft zu denken; und diese führt zurück, die ursprüngliche Berufung der Aufklärung ohne Vorurteil vom neuen zu überprüfen, die von einem (mit husserlischen Worten) „unendlichen Aufgabenhorizont als Einheit einer unendlichen Aufgabe“10.

Um diese neue ethische Entfaltung der universalistischen Berufung der Aufklärung in der Kürze zu beschreiben wird man eine Eingebung von Emmanuel Lévinas benutzen, die aus seinem Buch Humanismus des anderen Menschen entnommen wurde, weil sie sich der husserlischen Inspiration treu will. Die Kritik der Aufklärung, sagt er im wesentlichen, hat zur Zerstörung des Platonismus geführt; diese Zerstörung aber beweist durch sich selbst die ethische Vitalität des westlichen Universalismus :

„Es war notwendig, dass die Philosophie der zeitgenössischen Ethnologie folgte. So wird der Platonismus besiegt! Er wird aber gerade im Namen der Großzügigkeit des westlichen Denkens besiegt, welches, indem es den abstrakten Menschen in allen Menschen einsieht, den absoluten Wert der Person verkündet hat (…) Der Platonismus wird durch dieselben Mittel besiegt, wie diejenigen, die das aus Plato entstammte universale Denken geliefert hat“11.

Dieser Text ist zu Sinnreich, um oberflächlischerweise erklärt zu werden. Man wird ihn also der Interpretation überlassen, indem man die Arten angeben wird, es zu interpretieren, welche auch die Arten sind, für die Zukunft das Erbe der Aufklärung zu übernehmen.

Der „besiegte Platonismus“ erwähnt den Erfolg der Prognosen von Nietzsche auf der westlichen Zivilisation sowie der heideggerianischen Lektüre von Nietzsche. Man kann zwar die Entstehung der Aufklärung in einer einfach historistischen Hinsicht behandeln, und so kann man die Entstehung der Aufklärung als ein einfaches Zeitalter der Geschichte der Welt isolieren und relativieren, die, wie jede andere Zivilisation, zum Opfer der Werten werden kann, die sie selbst geschaffen hat. Somit, wenn die westliche Ethnologie selbst behauptet, dass alle Kulturen vom gleichen sind, vollendet sie nur eine Umkehrung der Aufklärung, die Aufklärung selbst programmieren kann.

Trotzdem findet dann keine Reduzierungs- und Selbstvernichtungshandlung statt, sondern eine Schenkungshandlung, eine Gabe. In der ethnologischen Zerstörung von sich selbst führt die Philosophie der Aufklärung ihre eigene kulturelle Kreativität aus, indem sie die Vitalität der Kulturen anerkennt, die ihr fremd oder feindselig sind. So wird offenbar die authentische Berufung des Universalismus der Aufklärung, eine Berufung, die der kulturelle Reduktionismus zerstört, bevor er es begreift: ihre allerletzte Zweckbestimmung ist nicht die Beherrschung, sondern die Ausstrahlung, da die Wirkung einer Philosophie sich nie durch Beherrschung, sondern nur durch Großzügigkeit ausführt. Dies war die Großzügigkeit der Aufklärung, eine Großzügigkeit, die ein eng und dogmatisch kultureller Egalitarismus in Vergessenheit bringt, und von nun an unverständlich macht. Freiheit, Gleichheit und Würde von jedem rational zu Grundrechten machen ist eine „Generosität“ der Aufklärung, die, dank dem Wirken der Abstraktion möglich ist: alle Kinder werden abhängig geboren, man weiß es aus Erfahrung, aber der Vernunft sieht sie frei an, genauso wie sie in einem Feind seinesgleichen dem Recht nach erkennt. Die Vernunft, die die Abweichungen der Vernunft selbst verurteilt, ist kein Inhalt, sondern eine reine Energie12, die sich nur verwirklicht, indem sie sich unendlichen Aufgaben gibt…, das heißt unaufhörliche neue Anfänge.

 

Schluss: 

Das Schicksal der Vernunft hat nicht dieselbe Bedeutung, je nachdem man auf die Entwicklung der Rationalisierung oder auf die Zukunft der Rationalität verweist. Die Entwicklung der Rationalisierung bezieht sich auf die Mittel und reduziert jede Aktivität auf ihre instrumentale Verständlichkeit, um daraus eine mögliche technische Beherrschung zu erzeugen. Rationalität ist eine Vertiefung des Gewissens, die nur im Horizont einer von allen Völkern teilbaren Zukunft entstehen kann. Sie führt nicht zur Instrumentalisierung der Tätigkeit, sondern erweitert die Kapazität zu begreifen, zu wollen, und Ziele zu bestimmen. Es muss nicht sein, dass das Schicksal der Vernunft dem Werden des technicistischen Rationalismus folgt. Die damalige Warnung Husserls an Europa ist heutzutage noch treffend: „Der Grund des Versagens einer rationalen Kultur liegt nicht im Wesen des Rationalismus, sondern allein in seiner Veräußerlichung, in seiner Versponnenheit in `Naturalismus' und `Objektivismus'. “13  

Fußnoten:

1 Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft, AK, V, S. 294.

2 Immanuel Kant, Was ist Aufklärung ? AK, VIII, S. 35.

3 Immanuel Kant, Was ist Aufklärung?, AK, VIII, S. 40.

4 Theodor W. Adorno, Max Horkheimer, La Dialectique de la Raison, Gallimard, Paris, 1974 , S. 27.

5 Theodor W. Adorno, Negative Dialektik, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1973, S. 398.

6 Jean-François Lyotard, Moralités postmodernes, Galilée, Paris, 1993, S. 93.

7 Jürgen Habermas, Le discours philosophique de la modernité, Gallimard, Paris, 1988, S. 219.

8 Immanuel Kant, Was heiβt: sich im Denken Orientieren?, AK, VIII, S. 144.

9 Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft, AK, VIII, S. 40.

10 Edmund Husserl, Die Krisis des europäischen Menschentums und die Philosophie, Aubier, Paris, 1977, S. 42.

11 Emmanuel. Lévinas, Humanisme de l’autre homme, Fata Morgana, Paris, 1972, S. 55.

12 Ernst Cassirer, La Philosophie des Lumières, Fayard, Paris, 1970, S. 48.

13 Edmund Husserl, Die Krisis der europäischen Menschentums und die Philosophie, Paris, 1977, S.102

© 2008 Monique Castillo

bottom of page