Der vierte Tag unserer Kantreise führte uns nach Friedland. Auf dem Weg sammelten wir den Pächter der Landwirtschaft Wolfgang Diers ein, der uns lebhaft schilderte, wie er seinen Betrieb hier aufgebaut hat und – abgesehen von etwas widrigen Wetterverhältnissen in diesem Jahr – auch gut angelaufen ist.

Unseren ersten Halt machten wir an der Kirche St. Georg in Friedland, die heute von der russisch-orthodoxen Kirche genutzt wird. Der Priester erzählte uns von dem Wiederaufbau der Kirche und der schwierigen Suche nach einem Restaurateur, der sich mit der gefragten Technik auskennt. Wie es der Zufall wollte, fand man diesen nach langer Suche direkt vor Ort. Und tatsächlich ist die Kirche heute wieder hergestellt. Der Priester erlaubte uns mit Hinweis auf die Osterwoche, auf dem Weg zur Turmspitze, die Glocken zu läuten. Dies wurde tatkräftig von allen genutzt. Ganz oben angekommen hatten wir einen herrlichen Blick über das weite Land.


Anschließend gingen wir in das Heimatmuseum der Stadt. Dort berichtete uns der Bürgermeister, welche Projekte zum Wiederaufbau derzeit in der Region verfolgt werden. Danach eröffneten wir die Ausstellung über die Freiherren v. Schrötter und übergaben hierfür weitere Bilder für die Ausstellung. Kant war mit Friedrich Wilhelm Frhr. v. Schrötter befreundet, so dass er diesen mehrfach auf seinem Gut in Wohnsdorff besuchte. Als Nachfahrin von Friedrich Wilhelm v. Schrötter durfte ich zur Ausstellungseröffnung einige Worte sagen. Zunächst war ich sehr bewegt, da in dieser Ausstellung auch ein Bild meines Großvaters, der Wohnsdorff bis zum Ende des 2. Weltkrieges besessen hatte, zu sehen war. Daher kamen mir die einstudierten russischen Worte zur Einleitung nicht so flüssig wie geplant über die Lippen.


Nach dem Eintrag ins Gästebuch des Museums fuhren wir nach Wohnsdorff. Positiv überrascht war ich, dass der Pächter veranlasst hatte, das Dach zu reparieren. Auch war das Grundstück eingezäunt und mit Stacheldraht vor unliebsamen Besuchern gesichert, um weiteren Vandalismus u. ä. vorzubeugen. Am Ordensturm erläuterte uns mein Onkel Dr. Dieter Frhr. v. Schrötter nochmals die Bedeutung des Ordensturmes, da sich Kant dort mehrfach zum Besuch meiner Vorfahren aufgehalten hatte. Der Ordensturm ist in einem katastrophalen Zustand. Allerdings erfuhren wir von konkreten Plänen, den Turm in den nächsten Jahren wieder aufzubauen, so dass auch ein Hoffnungsschimmer aufkam.
Im Anschluss fuhren wir ins benachbarte Allensburg, wo man schon von Weitem die Kirche entdecken konnte, die auf den ersten Blick einen intakten Eindruck macht. Dies war wohl der Tatsache geschuldet, dass die Kirche ab 1945 als Getreidespeicher genutzt worden war. 1999 hatte Frau Bäsmann, ein Mitglied unserer Reisegruppe, einen Verein zum Erhalt der Kirche gegründet, der bereits einiges bewirkt hat. So konnte man die Kirche durch eine neue Tür betreten. Allerdings schockierte der Anblick des Inneren der Kirche umso mehr. Sie war komplett entkernt, im Eingangsbereich lagerten die Ziegel, hinter dem Altarraum war die Mauer durchbrochen worden, um ein großes Tor einzubauen und die zweckentfremdete Nutzung zu ermöglichen. Das Kirchenschiff eignet sich somit derzeit kaum, um Gottesdienste abzuhalten. Hierfür wurde in dem Kirchturm ein Andachtsraum eingerichtet. Ein weiterer Raum in dem Kirchturm wird als Museum genutzt, um über die Kirche zu informieren.



Und so trat ich den Rückweg nach Königsberg mit gemischten Gefühlen – der Traurigkeit über den Anblick des Zerfalls, aber auch mit der Hoffnung auf Wiederaufbau – an.