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Dr. Thomas Gädeke: Grundsätze für die Einrichtung eines Kant-Museums

Es scheint mir wichtig, dass Kants Werke, wenn sie vielleicht nicht im Zentrum des Museums stehen können, so doch einen gewichtigen Akzent erhalten. Denn seine Schriften sind der wesentliche Beitrag, der Kants Bedeutung ausmacht. Auf sie zu treffen, kann der Besucher erwarten. Da es überdies ein Hauptproblem eines Kant-Museums sein wird, dass es kaum authentische, zeitgenössische Stücke auszustellen gibt und diese durch Reproduktionen ersetzt werden müssen, können die vorhandenen und evtl. noch zu beschaffenden Erstausgaben seiner Schriften diesen Platz hervorragend besetzen. Der ideale, vielleicht erreichbare Zustand wäre, dass sich ein vollständiger Satz von Erstausgaben im Kant-Museum in Kaliningrad und ein zweiter Satz im Kant-Museum in Judtschen befindet.

Im Übrigen möchte ich empfehlen, die Kant-Museen in Kaliningrad und Judtschen mit unterschiedlichen Schwerpunkten einzurichten und zu betreiben. In Judtschen muss das Augenmerk darauf liegen, dass hier ein gut wiederhergestellter originaler Ort aus Kants Biographie erfahrbar wird. Es ist der einzige erhaltene Ort mit originalem Gemäuer und wohl Gewölben im Keller (ich war noch nicht da), in dem Kant sich aufgehalten hat. Dann wird man vor allem Kants Zeit in Judtschen darstellen und erläutern und alles was man über seine Arbeit als Lehrer dort weiß, vermitteln. Ferner die weiteren bekannten Tatsachen wie das Verhältnis zur Familie Loyal und die Geschichte mit dem nachgebauten Fährboot. Des Weiteren bietet sich Judtschen für eine moderne Vermittlung von Kants Leben und Werk an, die interaktiv und mit Hilfe zahlreicher Medien geleistet wird. Wenn der Besucher das Kanthaus in Judtschen verlässt, soll er sich über die Bedeutung dieses Ortes ganz genau informiert fühlen, aber auch die Bedeutung Kants in seinem philosophischen Lebenswerk, sein Aussehen (Portraits) und seinen Werdegang knapp zusammenfassend erfahren haben.

Das Kant-Museum in Kaliningrad, das eine weitaus höhere Besucherfrequenz erwarten kann, muss hier ausführlicher werden. Wenn seine Bücher und Schriften (mit Proben seiner Handschrift) und erweitert womöglich durch Bücher, die Kant benutzt hat, den Kern bilden, so soll ein erster Ring darum Kants Lebenslauf und seinem Aussehen gelten (Portraits und andere Darstellungen, dabei unterscheiden zwischen authentischen zeitgenössischen Darstellungen und wohlgemeinten Fakes wie es das Gemälde von Doerstling ist), seine Wohnungen und Gewohnheiten (Spazierwege erfahrbar machen), seine Wirkungsstätte, die Universität, in Abbildungen anschaulich machen und das Echo auf sein Wirken in seiner Zeit darstellen. Einen weiteren Ring sollten die Freunde Kants darumlegen, die einzeln dargestellt werden können. Dabei ist die unterschiedliche Qualität der Überlieferung zu beachten und die Personen der Tischgesellschaft, über die wenig bekannt ist, sollten so erklärt werden, dass deutlich wird, dass sie keineswegs von geringerem Belang sind. Hier könnten auch Zitate aus dem Buch von Wasianski angebracht werden und die koketten Briefe von Charlotte Jacobi, geb. Schwinck zitiert werden, um ein Beispiel zu geben. Ein Abschnitt kann sich kurz der Geschichte der Gesellschaft der Freunde Kants zuwenden und die Gewohnheit des Bohnenmahls, die auf den Astronomen Bessel zurückgeht, schildern. Schließlich sollte die Karriere der Kantschen Gedankenwelt in der Geistesgeschichte durch einen kundigen Philosophen anschaulich gemacht werden. Die Feiern zum Kantjubiläum 1924, das Grabmal am Dom, die Wertschätzung der russischen Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit sind ebenfalls darzustellen.

Das mir bei meinem Besuch 2015 bekannt gemachte Kant-Museum im Westwerk des Domes hatte einen liebenswürdigen Laiencharakter. Es konnte gar nicht anders sein, als dass über die Zeit diese und jene Ausstellungsstücke zusammenkamen, die schon wegen des Engagements, mit dem sie eingebracht wurden, beanspruchen konnten, ausgestellt zu werden. So war die Sammlung gewachsen. Die neue Konzeption eines Kant-Museums hat die Chance, hier zu konzentrieren und die Gewichte richtig zu setzen. Man wird es dem großen Denker schuldig sein, hier nicht ins Unkonzentrierte und Sinnlose auszuufern. Minderwertige Kantdarstellungen und -devotionalien müssen nicht gezeigt werden. Auch eine nachgeschneiderte Kleidung Kants, beispielsweise, muss auf ihren Wahrheitsgehalt hin kritisch untersucht werden. Passende, grafisch gut gestaltete zentrale Kantzitate (kategorischer Imperativ – der gestirnte Himmel – Worte zum ewigen Frieden, vielleicht auch weniger geläufige) sollten die Präsentation begleiten. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass die Besucher nicht zu lange Texte lesen müssen, denn das schaffen sie nicht im Stehen. Alles was darüber hinaus gesagt werden soll, muss in eine Publikation (Heft oder Buch), die sicherlich auch anzustreben ist.

Fast unnötig zu sagen, dass die Beschriftung auf russisch und deutsch abzufassen ist, und zwar so, dass ein Besucher darüber das Wesentliche erfährt und auch ohne eine Führung das Museum in Grundzügen verstehen kann. Ein ansprechendes grafisches Aussehen sorgt für ein angemessenes Erscheinungsbild. Aus meiner Sicht ist das bei den Beschriftungen des 2015 eingebrachten Abschnitts über die Familien Jacobi und Gädeke so gut gelungen, dass man es zum Muster machen könnte.

Ich konnte in diesen Ausführungen nur Grundsätze ansprechen, da mir das vorhandene Ausstellungsgut zu wenig vor Augen steht. Es wird auf eine wohlproportionierte Auswahl und auf eine stringente Ordnung darin ankommen. Am Schluss wird nach der Beschriftung auf eine gute Beleuchtung zu achten sein, die mit moderner LED-Technik nach Investition in die Strahler großartig im Ergebnis und kostensparend im Betrieb sein wird. Jeder der angesprochenen Bausteine ist wichtig. Nur so wird eine Ausstellung mit ebenso hervorragenden Inhalten wie in einem ansprechenden Erscheinungsbild entstehen können. Die Aufmerksamkeit einer interessierten weltweiten Öffentlichkeit wird ihr sicher sein.

© 2020 Dr. Thomas Gädeke

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